Arbeitsgruppe Prof. Widera

Einzelne Tracer-Atome in einem ultrakalten Quantengas

Die Kombination einzelner, individuell kontrollierbarer und beobachtbarer ultrakalter Atome – sogenannter Tracer – mit einem bosonischen Quantenbad realisiert ein Paradigma der Quantenphysik. Die Verwendung der Tracer als “Quantensonde” oder “Quantenverunreinigung” eröffnet eine Vielzahl an Perspektiven zur Untersuchung und Manipulation lokaler Eigenschafen des Bades. Dabei nutzen wir aus, dass die Wechselwirkung abhängig von Position, Anzahl oder Spinzustand der Traceratome ist, und umgekehrt diese Größen Informationen über das ultrakalte Bad enthalten. In unserem Fall dienen einzelne Cäsiumatome als Tracer und ein Bose-Einstein Kondensat aus Rubidium als Quantenbad.

Einzelne Traceratome in einem ultrakalten Gas

Diffusion ist ein Phänomen, das uns täglich begegnet und dazu führt, dass sich Partikel in ihrer Umgebung gleichmäßig verteilen – sei es Milch und Zucker in unserem Kaffee, der Duft eines leckeren Abendessens in der ganzen Wohnung, und leider auch die Pollen von Bäumen und Gräsern im Sommer. In der Wissenschaft kann man durch die Beobachtung solcher Diffusionsprozesse anhand der Bewegung makroskopischer Objekte in einem anderen Medium (zum Beispiel Pollen auf einer Wasseroberfläche) Rückschlüsse auf mikroskopische Prozesse und Gesetzmäßigkeiten ziehen – für uns ein guter Grund, uns mit dem Thema zu beschäftigen und bisher unerschlossene Bereiche zu untersuchen. In unserem Experiment haben wir hierzu einzelne Cäsiumatome in ein sehr verdünntes Bad aus ultrakalten Rubidiumatomen eingebracht – eine experimentelle Situation, wie sie in der Natur beispielsweise bei der Diffusion von Aerosolen in der oberen Atmosphäre auftritt. Die Tatsache, dass wir im Experiment Cäsium von Rubidium unterscheiden können (daher der Name Tracer), erlaubt es uns, den Einfluss von Atomstößen auf die Diffusion zu bestimmen – bis hin zur Identifikation von einzelnen Kollisionen zwischen Atomen. Auf diese Weise ist es uns gelungen, das Bild, das wir von der Diffusion von Teilchen in verdünnten Medien haben, zu erweitern und auch etwas weiter abzurunden. Das Projekt ist eng verwandt mit unseren Untersuchungen zur Diffusion in Lichtbädern.

Einzelatom-Thermometer für ultrakalte Gase

Für fast alle Experimente mit ultrakalten Gasen ist die Messung der Temperatur zum Verständnis der Resultate notwendig, verlangt aber in der Regel die Messung der Teilchen der gesamten ultrakalten Wolke zusammen. Die so gemessene Temperatur ist daher ein Mittelwert des Gesamtsystems, was im ungestörten Zustand ausreicht, jedoch nicht die gesamte Information beinhaltet, wenn das System aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. Wir nähern uns diesem Problem, indem wir einzelne Cäsiumatome in die ultrakalte Rubidiumwolke einbringen. Innerhalb weniger Millisekunden finden eine Thermalisierung statt, sodass die einzelnen Cäsiumatome die Temperatur der umgebenden Wolke annehmen. Während oder nach dem Temperaturaustausch können wir Cäsiumatome an einer gewünschten Stelle im Rubidiumbad binden, und damit die Temperatur an einzelnen Stellen im Rubidiumbad messen, womit wir einzelne Thermometer auf atomarer Skala realisieren. Mit dieser Methode eröffnen sich viele Möglichkeiten, um den Zustand eines Vielteilchen-Quantensystems lokal zu untersuchen.

Einzelatom-Quantensonde für ultrakalte Gase

Durch das Einbringen einzelner Cäsiumatome in ein ultrakaltes Rubidiumbad sind Kollisionen zwischen den beiden Spezies möglich. Wir unterscheiden zwischen elastischen Kollisionen und Spin-Austausch Kollisionen.

Auf Basis dieser Kollisionen kann das einzelne Cäsiumatom auf zwei verschiedene Methoden als Quantensonde eingesetzt werden. Messmethode A kann die Temperatur des Rubidiumbads, das extern angelegte Magnetfeld oder Kombinationen aus diesen beiden Parametern extrahieren. Messmethode B fokussiert sich auf Bestimmung der Temperatur und Dichte des Rubidiumbads.

Messmethode A:

Einzelne Spin-Austausch Kollisionen zwischen Cäsiumatomen und Rubidiumatomen ermöglichen die Verbindung der inneren Zustandsdynamik (Spindynamik) mit dem externen Bewegungsfreiheitsgrad, wobei die Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieser Prozesse von der Konkurrenz aus extern angelegtem Magnetfeld und Kollisionsenergie (also der Badtemperatur) abhängt. Diese Verbindung ermöglicht die externen Parameter Badtemperatur, Magnetfeld sowie Kombinationen aus diesen auf die internen Spinzustände zu projizieren und so den jeweiligen Parameter aus der Spinverteilung des Einzelatoms zu extrahieren. Dabei zeigt die Einzelatom Quantensonde erhöhte Sensitivität im Nichtgleichgewichtszustand, wodurch ein störungsarmes Messverfahren gegeben ist.

https://journals.aps.org/prx/abstract/10.1103/PhysRevX.10.011018

https://arxiv.org/abs/2203.13656

Messmethode B:

Das einzelne Cäsiumatoms wird in einem kohärenten Überlagerungszustand präpariert. Wir beobachten die Dephasierung die entsteht, wenn das Einzelatom mit dem Rubidiumbad interagiert. Die Stärke der Interaktion und damit des Dephasierungsmechanismus hängt von der Umgebung ab und ändert sich wenn die Umgebung durch verschieden temperierte oder verschieden dichte ultrakalte Rubidiumgase bereitgestellt wird. Durch Messen der Dephasierung kann dann aufgrund dieser Abhängigkeit die Badtemperatur oder Baddichte bestimmt werden.

https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.129.120404

Die Quanten-Wärmekraftmaschine, ein Motor aus einzelnen Atomen

Neben der Anwendung einer Quantensonde auf Einzelatomabasis beschreibt dieses Projekt die Realisierung und Charakterisierung einer Einzelatommaschine. Einzelne Cäsiumatome fungieren als Arbeitsmedium der Maschine, angetrieben durch ultrakalte Spinbäder aus Rubidiumatomen. Spin-Austausch Kollisionen zwischen den beiden Atomspezies führen zum Energieübertrag einzelner Quanten. Dieser quantisierten Wärmeaustausch wurde zyklisch angewendet um einen Ottokreisprozess zu realiseren. Der Ottokreisprozess zeichnet sich durch hohe Leistungsabgabe, eine konstant hohe Effizienz sowie hohe Stabilität aus.

https://www.nature.com/articles/s41467-021-22222-zhttps://arxiv.org/abs/2207.09272

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