Arbeitsgruppe Prof. Urbassek

Materialwissenschaften mittels Computersimulation

Das Gebiet der sogenannten Computational Materials Science ist relativ jungen Ursprungs; es entwickelt sich aber außerordentlich dynamisch, wie durch sich in jüngster Vergangenheit etablierende Zeitschriften, Workshops und Konferenzen dieses Namens deutlich wird. Die behandelten Fragestellungen entstammen dem Kern der Materialwissenschaften: Wie kann man die strukturellen, elektronischen oder optischen Eigenschaften von Materialien aus ihrem atomaren Aufbau heraus verstehen? Eigenschaften neuer Materialien sollen vorhergesagt werden, Hinweise zur Herstellung maßgeschneiderter Materialien gegeben oder die möglicherweise schädlichen oder günstigen Auswirkungen bestimmter Materialverarbeitungsprozesse charakterisiert werden. Die rasante Entwicklung in der Computerhardware - und begleitend auch im numerischen und algorithmischen Softwarebereich - hat es nun möglich gemacht, diese Fragestellungen auch bei komplexen Materialien durch atomistische Simulationen anzugehen. 

Unsere Arbeitsgruppe nimmt sich innerhalb des <link materialwissenschaft.html _top>Forschungs- und Entwicklungsschwerpunktes Materialwissenschaften der Universität Kaiserslautern dieser Thematik an. Hierbei untersuchen wir neben der Synthese und Analyse von dünnen Schichten insbesondere die Möglichkeiten, durch Nichtgleichgewichtsprozesse Oberflächen zu modifizieren. Im folgenden soll anhand von drei ausgewählten Beispielen versucht werden, verschiedene Aspekte des Gebiets der Computational Materials Science zu beleuchten.

Amorphisierung von Siliziumkristallen

In vielen Herstellungsschritten im Bereich der Mikroelektronik werden Halbleiter, so etwa Silizium, einer Bestrahlung mit energiereichen Teilchen ausgesetzt. Hierdurch kann der Kristall lokal seine Phase ändern und in einen ungeordneten, amorphen Zustand übergehen. Derartige amorphe Zonen beeinflussen naturgemäß die elektronischen Eigenschaften von Silizium; sie bilden aber auch ein relativ einfaches Beispiel für einen bestrahlungsinduzierten Phasenübergang, der - wie sein Gegenstück, der Rekristallisationsprozeß - vielfach studiert wird. Abb. 1 zeigt die strukturelle Veränderung, die durch das Auftreffen eines Siliziumatoms mit 100 eV Energie im Material verursacht wurde.

Abb. 1: Auf einen wohlgeordneten Siliziumkristall wird ein Siliziumatom mit 100 eV Energie geschossen. Die Abbildungen zeigen die zeitliche Entwicklung der ungeordneten Zone (grün-angefärbte Atome), die sich in der Nähe des Aufschlagpunktes gebildet hat (rot: Projektil).

Das weitere Schicksal, insbesondere die Lebensdauer derartiger amorpher Zonen, hängt stark von der Temperatur des Materials ab.

Laserablation

 


Abb. 2:
Durch die Bestrahlung des Kristalls mit einem intensiven Laserstrahl wird ein Teil des Materials abgetragen. Die rot gezeichneten Atome in der Front der abgetragenen Gaswolke sind schnelle, ungebundene Atome, die anderen, gelb bzw. grün gezeichneten Atome sind untereinander als Cluster gebunden.
Auch Bestrahlung mit einem Laser kann die Oberfläche eines Materials verändern. Ist die Bestrahlung hinreichend intensiv, so wird die Oberfläche verdampft (Laserablation), und das abgetragene Material kann neuen Zwecken zugeführt werden. Ein interessanter Aspekt ergibt sich, wenn sich die abgedampften Atome oberhalb der Oberfläche wieder zu Atomverbänden, sogenannten Clustern, zusammenfinden (Abb. 2). Derartige Cluster stellen selbst ein wichtiges Forschungsgebiet dar; im Rahmen der Materialwissenschaften werden sie aber darüber hinaus zur Schichtabscheidung, etwa auch von sehr feinkörnigen (nanokristallinen) Filmen, benutzt, die zur Zeit in vielen Laboratorien intensiv erforscht werden.

Ionenquellen

Zur Dünnschichtabscheidung und -untersuchung werden vielerorts Ionenstrahlen benutzt, die man häufig aus Gasentladungen als Ionenquellen gewinnt. Die Optimierung derartiger Quellen ist nicht einfach, da die in Gasentladungen ablaufenden Prozesse komplex und nichtlinear miteinander vernetzt sind. Wir zeigen in Abb. 3 ein Beispiel für eine derartige Ionenquelle, wobei wir als Auswahl unter vielen studierten zwei besonders wichtige Parameter - nämlich die räumliche Verteilung der Elektronen und ihre Temperatur in der Gasentladung - angegeben haben.

Abb. 3: Eine zylindrische magnetisierte Niederdruckgasentladung unter Hochfrequenzbetrieb (links). Innere und äußere Elektroden sind angegeben. Daneben sind die zeitlich gemittelte Temperatur und die Dichte der Elektronen in der Entladung angegeben.

 


Die angegebenen Beispiele sollten einen Einblick in die vielfältigen Anforderungen geben, denen sich das Gebiet der Computational Materials Science gegenüber gestellt sieht, und ein Licht auf die Verflechtungen werfen, die dieses interdisziplinäre Gebiet etwa mit der Physik und Chemie als naturwissenschaftlichen Grundfächern oder dem Maschinenwesen und der Elektrotechnik als Anwendungsgebieten hat. Darüber hinaus sind natürlich unmittelbare Bezüge zur Informatik vorhanden, etwa wenn es darum geht, die gewonnenen Daten mit Hilfe von Visualisierung und <link animationen.html>Animation (246 kb) grafisch darzustellen.


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